Digitale Rechtsantragstelle: Bürgerinnen und Bürgern den Zugang zum Recht erleichtern

Die Digitale Rechtsantragstelle erleichtert den Bürgerinnen und Bürgern den Zugang zu Informationen und unterstützt bei der Stellung von Anträgen und beim Einreichen von Unterlagen. Bislang erhalten sie diese Unterstützung vor Ort in den Rechtsantragstellen der Amtsgerichte. Mit der digitalen Rechtsantragstelle eröffnen sich nun zusätzliche Möglichkeiten, Bürgerinnen und Bürger durch den Einsatz digitaler Eingabesysteme effektiv bei der Wahrnehmung ihrer Rechte zu unterstützen. Antragsverfahren sollen zukünftig durchgehend Ende-zu-Ende digitalisiert werden. Auch die Gerichte profitieren von der Digitalisierung: Die Arbeit der Gerichte wird effizienter, ressourcenschonender und moderner. Ziel ist es, künftig sämtliche Leistungen der Justiz auch online anzubieten und in einem einheitlichen Bund-Länder-Justizportal zu bündeln.

Das Vorhaben Digitale Rechtsantragstelle wurde Ende 2022 durch das Bundesministerium der Justiz gestartet. Nach einer erfolgreichen Machbarkeitsstudie wird mit der DigitalService GmbH des Bundes und in Kooperation mit aktuell zehn Bundesländern und 18 Pilotgerichten an der Entwicklung der Digitalen Rechtsantragstelle gearbeitet. Das Vorhaben fügt sich ein in die gemeinsame Bestrebung von Bund und Ländern,
die Digitalisierung der Justiz schneller voranzubringen.

Der Antrag auf Beratungshilfe ist einer der meistgestellten Anträge in den Rechtsantragstellen und wurde als erster Anwendungsfall für einen Online-Service ausgewählt. Seit August 2024 können Bürgerinnen und Bürger auf der Webseite service.justiz.de/beratungshilfe den Antrag auf Beratungshilfe Schritt für Schritt digital ausfüllen. Unterstützt werden sie dabei in einfacher Sprache, durch bessere Erläuterungen und mit einer Abfrage, bei der nur die für ihren Fall relevante Fragen gestellt werden. Am Ende können Bürgerinnen und Bürger den fertig ausgefüllten Antrag als PDF-Dokument herunterladen und anschließend elektronisch oder per Post an das zuständige Amtsgericht übermitteln. Zudem finden sich hier detaillierte Informationen zur Beratungshilfe, u. a. zur Antragstellung und den einzureichenden Dokumenten sowie einen Gerichtsfinder und Tipps für die Anwaltssuche.


 

DAS WICHTIGSTE IN KÜRZE

Initiierende Stelle:
Bundesministerium der Justiz (BMJ)
Referat DB1: Grundsatzfragen der Digitalisierung; Künstliche Intelligenz; IT-Einsatz in der Länderjustiz

Umgesetzt für:
Bundesweit, in Zusammenarbeit mit zehn Partnerländern
und 18 Pilotgerichten

Ebene:
Bund


Team:
Malte Büttner, Referatsleitung DB1, Bundesministerium der Justiz

Christoph Böhmer, Projektleitung & Produktmanagement, DigitalService GmbH des Bundes

Caroline Merz, Projektleitung & Transformationsmanagement, DigitalService GmbH des Bundes

Beteiligte Disziplinen:
Bundesministerium der Justiz: Projektsteuerung

Projektteam der DigitalService GmbH des Bundes: Produktmanagement, Transformationsmanagement, UX/UI Design, User-Research, Software-Entwicklung, Content Design, Projektkommunikation, Growth Management

Dauer:
Das Projekt startete Ende 2022 und
ist noch nicht abgeschlossen.

Budget:
Seit 2023 wird das Projekt aus den Mitteln der Digitalisierungsinitiative für die Justiz finanziert.

 

 

Nachgefragt beim Projektteam


Was ist Ihre größte Errungenschaft? Worauf sind Sie besonders stolz?

Die im Projekt etablierte Zusammenarbeit zwischen Bund und Ländern ist in der Justiz einzigartig. Zudem geht die Projektarbeit über die reine Digitalisierung hinaus: Erkenntnisse aus der Nutzendenforschung wurden mit der Fachebene des BMJ ausgetauscht und sind in die Weiterentwicklung des (Papier-)Formulars für Beratungshilfe eingeflossen. Derzeit arbeiten Bund und Länder gemeinsam an einer nutzerfreundlichen und vereinfachten Version des (Papier-)Formulars.

Besonders stolz sind wir zudem auf den 2. Platz im Google-Ranking für den Suchbegriff „Beratungshilfe“ sowie auf eine Nutzendenzufriedenheit von 80 %.

Was genau hat den Anstoß zur Umsetzung gegeben?

Die „Digitalisierungsinitiative für die Justiz“ des Bundesministeriums der Justiz hat 2022 den Anstoß für das Projekt gegeben: Erstmalig werden Digitalisierungsprojekte vom Bund finanziert und eigene Vorhaben für die Justiz umgesetzt. Damit wurde die Grundlage für eine „Digitale Rechtsantragstelle“ und eine neue Form der Bund-Länder-Zusammenarbeit geschaffen.

Wie stellen Sie Ihr (erlerntes) Wissen zu Innovationsprozessen anderen zur Verfügung?

Einer der Werte in unserer Projektarbeit ist „Working in the Open“. Deswegen veröffentlichen wir regelmäßig Updates zum Projektfortschritt auf der Projektwebsite und in einem Blog . Zudem teilen wir unsere Projekterfahrungen in Form von öffentlichen Vorträgen, u.a. beim City Lab Berlin, bei der Smart Country Convention, dem Public Service Lab Day. Auch der Zwischenbericht zur Dokumentation der Entwicklung entsprechend des Servicestandards wurde veröffentlicht.

Was war die größte (unerwartete) Herausforderung?

Die größte Herausforderung ist die Ende-zu-Ende-Digitalisierung: Aufgrund der Komplexität des elektronischen Rechtsverkehrs und der heterogenen
IT-Landschaft gibt es bisher nicht die Möglichkeit, strukturierte Daten aus der Antragstellung direkt über unseren Onlinedienst service.justiz.de digital an das jeweilige Amtsgericht zu übermitteln. Eine elektronische Übermittlung der Erklärungen der Rechtssuchenden ist
nur über einen sogenannten sicheren Übermittlungsweg zugelassen. Aktuell arbeiten wir zusammen mit den zuständigen Gremien der Bund-Länder-Kooperation an einer technischen Lösung, um die direkte Anbindung unseres Onlinedienstes zu realisieren und entwickeln passende Schnittstellen.

Was würden Sie beim nächsten Mal anders machen?

Grundsätzlich würden wir in der Produktentwicklung genauso vorgehen. Wir arbeiten nach agilen Prinzipien, entwickeln gemeinsam mit allen Beteiligten nutzendenzentrierte Lösungen und gehen dabei schrittweise und iterativ vor. Auf Basis der Nutzendenforschung entwickeln wir Ideen, stellen Hypothesen auf und testen diese regelmäßig in realen Anwendungskontexten. Dieses Vorgehen gewährleistet, dass unsere Lösungen echten Mehrwert für die Nutzenden bieten und Fehlentwicklungen frühzeitig erkannt werden.

Planen Sie bereits ein nächstes nutzerorientiertes Projekt?

Die Digitalisierung des Formulars für Beratungshilfe war der erste Anwendungsfall im Rahmen unseres Projektes. Aktuell arbeiten wir bereits an der Digitalisierung weiterer Anträge und Erklärungen, z. B. an der Digitalisierung eines Formulars aus dem Themenbereich der Prozesskostenhilfe (live seit Dezember 2024) und eines Formulars aus dem Bereich der Zwangsvollstreckung für Schuldnerinnen und Schuldner (in Entwicklung). Auch hier beziehen wir wieder Expertinnen und Experten aus den Pilotgerichten sowie Rechtssuchende in die Entwicklung mit ein.

Was würden Sie anderen Behörden raten, die sich aufmachen, einen ähnlichen Prozess wie Sie anzugehen?

-       Beziehen Sie Bürgerinnen und Bürger und die Sachbearbeiter der Verwaltung von Anfang an konsequent in die Produktentwicklung mit ein.

-       Entwickeln Sie regelmäßige Formate der Zusammenarbeit zur Bildung einer Community.

-       Bilden Sie interdisziplinäre Teams und entwickeln Sie regelmäßige Formate der Zusammenarbeit für Produkt- und Fachexpertinnen und -experten.

-       Nutzen Sie agile Methoden und iterative Vorgehensweisen.

-       Führen Sie regelmäßige User-Tests durch (Tests mit Bürgerinnen und Bürgern sowie Mitarbeitenden).

-       Working in the Open: Schaffen Sie Transparenz und Vertrauen durch regelmäßige Blogartikel und Präsentationen auf Fachkonferenzen.

-       Nutzen Sie Open-Source-Code für die Umsetzung Ihrer Digitalprojekte.

Glauben Sie, dass das gleiche oder ein ähnliches Ergebnis mit anderen Mitteln hätte erreicht werden können?

Nein, wir würden das Projekt in der gleichen Vorgehensweise durchführen. In diesem Projektkontext war es von entscheidender Bedeutung, alle relevanten Akteurinnen und Akteure einzubeziehen, den Projektkontext (Justizlandschaft) sowie die darin bestehenden Prozesse gründlich zu analysieren und die Bedürfnisse der Nutzenden umfassend zu verstehen.

Welche neuen Kompetenzen wurden eventuell erlernt und welche neuen Kompetenzen benötigt „Verwaltung“ in der Zukunft?

Das Projekt legt einen besonderen Fokus auf die Zusammenarbeit von Bund und Ländern.

Das Zusammenarbeitsmodell der „Partizipativen Produktentwicklung“ hat sich dabei als äußerst erfolgreich erwiesen. Insbesondere die Einrichtung von Expertengruppen und der direkte Austausch mit den Pilotgerichten, aber auch mit den Fachreferaten des BMJ erwies sich als äußerst effektiv.

Zudem hat ein konsequenter Fokus auf die Nutzenden sowie der Einsatz agiler Methoden entscheidend zum Erfolg beigetragen.



Ansprechpartnerin
Jana Muraitis, Bundesministerium der Justiz, Referat DB1
muraitis-ja@bmj.bund.de

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